Der Grundgedanke ist einfach beschrieben: Digitale Bibliotheken sollen mit ihren Angeboten das digital aufbereitete Wissen in einer Weise verfügbar und zugänglich machen, dass möglichst viele Anwendergruppen mit ihren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen berücksichtigt werden.
Für Menschen mit Einschränkungen der Lesefähigkeit bedeutet dies, dass für sie nicht primär und ausschließlich spezielle Produkte erzeugt werden, sondern die für alle bereitstehenden Medien von ihnen genutzt werden können – natürlich und gerade deshalb, indem unterstützende Technologien aufsetzen können.
„Es geht nicht um Speziallösungen, es geht um uns alle, um Universal Design.“
Oliver Herwig, Universal Design, 2008, S. 9.
‚Universal Design heißt Gestalten für Alle‘
Der aus der Gestaltungslehre stammende Begriff ist jung und besitzt verschiedene Entsprechungen: Design für Alle, Universelles Design, Inklusives Design und ihre englischsprachigen Übersetzungen. Eine terminologische Auseinandersetzung steht deutlich hinter einer breiten Anwendung in unterschiedlichsten Facetten. Als Referenz steht hierfür Oliver Herwig (Universal Design, 2008) mit dem Leitgedanken ‚Universal Design heißt Gestalten für Alle‘.
„Gestalten für alle, … die Richtung ist klar, nicht aber die Terminologie.
Noch immer herrscht ein munteres Begriffschaos mit subtilen Abgrenzungs- und Differenzierungsbemühungen, wie sie für ein junges Fach üblich sind. Drei Hauptworte stehen neben- und teils gegeneinander: Universal Design, Inclusive Design sowie Design for All, oft angereichert durch Zusätze wie Ergonomie und Usability. […]
Wagen wir eine Spekulation: Nicht alle Begriffe werden überleben, die größte Chance, sich durchzusetzen hat ein Begriff: Universal Design, wie ihn Ron Mace … entwickelte […]:
‚He coined the term ‚universal design‘ to describe the concept of designing all products and the built environment to be aesthetic and usable to the greatest extent possible by everyone, regardless of their age, ability, or status in life. He was also a devoted advocate for the rights of people with disabilities which is reflected in his work.‘ [Anm. 3: Ron Mace, Center for Universal Design].“
Oliver Herwig, Universal Design, S. 17.
Universal Design in der UN-Behindertenrechtskonvention
Das Gestaltungskonzept des Universal Design ist festgeschrieben in der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK): Artikel 2 bietet eine Definition, die in Artikel 4, Absatz (f) angewandt wird.
Art. 2: „Im Sinne dieses Übereinkommens […]
bedeutet „universelles design“ ein Design von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder ein spezielles Design genutzt werden können. „Universelles Design“ schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus.“Art. 4, Abs. (f): „Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen, Geräte und Einrichtungen in universellem Design, wie in Artikel 2 definiert, die den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen mit möglichst geringem Anpassungs- und Kostenaufwand gerecht werden, zu betreiben oder zu fördern, ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern und sich beider Entwicklung von Normen und Richtlinien für universelles Design einzusetzen;“
Universelles Design oder Design für Alle entspricht dem kulturellen Ansatz der Behindertenrechtskonvention, wonach Behinderung als ein Menschenrecht anerkannt wird.
„Nun liegt der Charme von Universal Design gerade darin, dass die Rechte von Minderheiten und Spezialgruppen geschützt werden und sie als härteste Tester und anspruchsvollste Nutzer gleichsam die Türöffner bilden für Produktinnovationen und gesellschaftliche Veränderungen, die allen zugutekommen.“ Oliver Herwig, Universal Design, S. 17f.
Universal Design als ‚Dachmarke‘
Nach Oliver Herwig liegt Universal Design „gleichsam als Dachmarke über verschiedenen Gestaltungsstrategien,“ wobei Barrierefreiheit die Basiskomponente darstellt (Ders., Universal Design, S. 18).
Unter Bezug auf Forschungen des Generation Research Programs an der LMU München führt Herwig (ebd.) vier Grade von Gestaltung auf dem Weg zum Ziel ‚Lebensqualität‘ zusammen:
- Accessibility – Barrierefreiheit als Basis;
- Usability – Benutzerfreundlichkeit;
- Acceptibility – Stigmafreiheit wie Marktaktzeptanz;
- Joy of Use – Ästhetik und Emotionalität.
Von der Barrierefreiheit zum Universellen Design oder Design für Alle
Im eingangs beschriebenen Kontext setzt sich in Deutschland sukzessive eine erweiterte Sicht auf Barrierefreiheit durch, die als ‚Universelles Design‘ oder ‚Design für Alle‘ benannt wird. – Siehe auch Barrierefreiheit.
„Die Umwelt soll so gestaltet sein, dass sie die Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigt. Keine Personengruppe soll aufgrund einer bestimmten Gestaltung von der Nutzung ausgeschlossen werden. Dieses Verständnis der Barrierefreiheit wird auch „Design für alle“ oder „universelles Design“ genannt.“ (Quelle: BKB, Barrierefreiheit)
Quellen
- Oliver Herwig, Universal Design. Lösungen für einen barrierefreien Alltag. Basel u.a. 2008.
- GRP – Generation Research Program. LMU München (o.J.). – Vgl. auch: Helmut Plischke, Bedienerfreundlichkeit und intuitive Nutzung von technischen Geräten, in: Technik in Bayern, Heft 4, AAL, März/April 2009.
- Susanne Janschitz, Von Barrieren in unseren Köpfen und „Karten ohne Grenzen“, Wien 2012.
„Das beste Design funktioniert nicht, wenn es niemand annimmt. Gibt es Kriterien für die Akzeptanz, Qualitäten, die eine kollektive Akzeptanz befördern? [OH] – Der Entwurf muss dialogfähig sein mit dem, was gegeben ist, sich einpassen … [CB]“ – Quelle: Oliver Herwig, Universal Design, S. 161 [aus Interview mit Carlo Baumschlager über Architekten und die Gestaltung der Zukunft]
„… am Ende der Umsetzungskette steht der Mensch. […] Von ihm hängt nämlich ab, ob ‚für alle‘ eine Forderung auf dem Papier bleibt oder gelebte Wirklichkeit wird. Sämtliche Handlungsanweisungen … bleiben wirkungslos, dringt der Inklusionsgedanke nicht in das Bewusstsein unserer Gesellschaft und bleibt die Umsetzung ausschließlich bei der Barrierefreiheit stehen.“
Quelle: Susanne Janschitz, Von Barrieren in unseren Köpfen, S. 65