Im folgenden wird auf Gesetze und Richtlinien verwiesen, die für den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), vornehmlich mit Blick auf die Gesetzgebung in Deutschland, maßgeblich sind.
Juristische Rahmenbedingungen
- Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), 2002, zuletzt geändert 2007. –
Geltungsbereich: Deutschland
§ 4: Barrierefreiheit. – § 11: Barrierefreie Informationstechnik.
- Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (BRK), 2006. –
Umsetzung auf nationaler Ebene: zum 03.10.2012 von 154 Staaten unterzeichnet, von 124 Staaten ratifiziert; von Deutschland 2009 ratifiziert; für die Unterzeichnerstaaten ist die BRK rechtsverbindlich. – Aktueller Stand.
Art. 4.1, Abs. (f)-(h) und Art. 9 zu IKT, vgl. BRK zum Download als PDF (Vergleich von deutscher amtlicher und deutscher Schattenübersetzung sowie englischer Originalversion, 10 MB). – TIPP: Die UN-Konvention kurz und knapp (Aktion Mensch)
- Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen, vom 15.11.2010, Zehnjahresstrategie für ein barrierfreies Europa (2010-2020). – Das Dokument zum Download als PDF. – Vgl. auch Europäische Kommission: IP/10/1505.
S.6: „Es gilt, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Verkehrsmitteln, zu Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen (IKT) sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten zu gewährleisten. In allen diesen Bereichen bestehen noch erhebliche Barrieren.“
- Digitale Agenda für Europa, eine Initiative zur Umsetzung der Zehnjahresstrategie ‚Europa 2020‘.
Eines der Ziele besteht in der Sicherstellung der vollständigen Barrierefreiheit von Websites des öffentlichen Sektors bis spätestens 2015, vgl. Aktion 64.
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen vom 03.12.2012. –
Der Wortlaut des Vorschlags zum Download als PDF (Europäische Kommission: IP/12/1305).
Basierend auf den Kriterien und Anforderungen der WCAG 2.0 (Stufe AA) wird gegenwärtig eine europäische Norm (Normungsauftrag Nr. 376 der Europäischen Kommission) erarbeitet, die schon Anfang 2014 vorliegen könnte. Ab Ende 2015 gelten für 12 Arten von Websites diese verbindlichen EU-Standardvorgaben, darunter (S. 22) für ‚Öffentliche Bibliotheken, z.B. Kataloge und Suchwerkzeuge‘.
S.4: „Der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie ist beschränkt auf Website-basierte Online-Dienste, die von öffentlichen Stellen angeboten werden.“
- Ausblick 2013+: Europäisches Barrierefreiheitsgesetz
Vizepräsidentin Viviane Reding: „Die uneingeschränkte Teilhabe Aller am Alltag ist das zentrale Anliegen unserer Strategie für ein barrierefreies Europa. Deshalb plane ich, 2013 mit einem Europäischen Rechtsakt über die Zugänglichkeit einen Vorschlag zur Beseitigung der Barrieren für Behinderte vozulegen.“ (Pressemitteilung Europäische Kommission vom 30.11.2012)
Maßnahme [Rechtsakt für den barrierefreien Zugang zum Waren- und Dienstleistungsmarkt für Personen mit Behinderungen und ältere Menschen] wurde 2014 aufgrund der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zurückgestellt. (Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014, Punkt III.)
- European Telecommunications Standards Institute (ETSI) (2014): European Accessibility Requirements for Public Procurement of Products and Services in the ICT Domain. European Standard EN 301 549 V.1.1.1 (2014-02).
Entsprechend der europäischen Norm (Normungsauftrag M 376) wurde bis 31. Oktober 2014 ein Europäischer Standard für Websites öffentlicher Stellen erarbeitet: European Standard (ETSI) EN 301 549 V.1.1.1 (2014-02), der von den Mitgliedsstaaten als nationaler Standard anerkannt werden soll. Dieser soll ab Ende 2015 für 12 Arten von Websites gelten, darunter für „Öffentliche Bibliotheken, z.B. Kataloge und Suchwerkzeuge“ (vgl. Europäische Kommission: IP/12/1305, Anhang 1).
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) et al. (2014): Digitale Agenda 2014–2017. veröff. August 2014.
Vgl. Abschnitt Digitale Teilhabe umsetzen:
„Demokratie lebt von Teilhabe. Digitale Dienste ermöglichen dabei den verstärkten Dialog im demokratischen Raum und stellen Informationen bereit, die in der Vergangenheit häufig nur schwer zugänglich waren. […]
- Die Bürgerinnen und Bürger benötigen für die Mitwirkungsprozesse einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen. Wir fördern daher die Barrierefreiheit in digitalen Medien, berücksichtigen die entsprechenden Standards im staatlichen Bereich und entwickeln diese kontinuierlich weiter. Damit stärken wir Bürgernähe, Servicequalität und Wissensvernetzung.“
Richtlinien zur Gestaltung von Webseiten
- Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0
Richtlinien für barrierefreie Webinhalte, als Webstandard des World Wide Web Consortiums (W3C) in der Version 2.0 am 11.12.2008 veröffentlicht; autorisierte deutsche Übersetzung vom 29.10.2009; als internationaler Standard ISO/IEC 40500:2012 seit 14.10.2012 normiert. – Siehe auch Standards und Formate.
Die WCAG 2.0 Stufe AA gelten als Ausgangsbasis für ein künftiges Europäisches Barrierefreiheitsgesetz (Normungsauftrag Nr. 376 der Europäischen Kommission).
- Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0
Verordnung für Websites des Bundes in Deutschland zur Umsetzung von Barrierefreiheit nach BGG § 11. – In der Version 2.0 veröffentlicht am 22.09.2011; die BITV 2.0 nimmt in Anlage 1 unmittelbar Bezug auf die WCAG 2.0 bzw. bietet dort eine Übersetzung dieser Webstandards.
Dennoch gibt es einige Unterschiede bzw. Defizite der BITV gegenüber den WCAG, vgl. hierzu Jan Eric Hellbusch, BITV 2.0 in Kraft (22.09.2011).
„Praktisch gesehen kommen Webentwickler nicht an den Techniken zur WCAG 2.0 vorbei, wenn sie Barrierefreiheit nach dem Stand der Technik umsetzen wollen. Solange die Techniken nicht aus den Augen verloren werden, steht einer Erreichung der Konformitätsstufe AA der WCAG 2.0 (Priorität I der BITV 2.0) nichts im Wege.“ (ebenda)
Differenziert zeigt sich der Geltungsbereich der BITV auf Länderebene: Da nicht alle Bundesländer die BITV in ihre länderspezifischen IT-Verordnungen übernommen haben, bestehen diesbezüglich Abweichungen bzw. ist eine Fragmentierung des Regelwerkes vorgezeichnet (vgl. ebenda).
Weitere Weblinks
- Behindertenbeauftragter der Bundesregierung
- Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit
- Deutsches Institut für Menschenrechte
Empfehlungen
- Susanne Janschitz, Von Barrieren in unseren Köpfen und „Karten ohne Grenzen“, Wien 2012. – TIPP: S. 44-51 ein Vergleich der Gesetzgebung in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
- Felix Weltli (Hg.), Rechtliche Instrumente zur Durchsetzung von Barrierefreiheit, Kassel 2013. – TIPP: Das Verhältnis von deutscher und US-amerikanischer Gesetzgebung analysiert der Beitrag von Irene Bowen, S.79-94.
Siehe auch: Bibliotheksdokumente, Zielvereinbarung